„Vdw Aktuell” hat mit dem erfahrenen Berater der Immobilienwirtschaft Dr. Frank Winkler über den CO2-Preis, Grenzen des seriellen Bauens und das Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestandes gesprochen.
VDW: ÜBER DEN CO2-PREIS UND SEINE AUFTEILUNG ZWISCHEN VERMIETER UND MIETER WURDE VIEL GESTRITTEN. NUN GIBT ES EIN STUFENMODELL, DAS DIE KOSTENAUFTEILUNG REGELN SOLL. WIE BEURTEILEN SIE DAS MODELL?
Dr. Frank Winkler: Zunächst einmal bin ich für eine sprachliche Präzisierung: Ich würde den CO2-Preis eher als CO2-Steuer bezeichnen. Die Aufteilung dieser Steuer halte ich nach wie vor für ungerecht. Sie orientiert sich sehr stark am Gebäudezustand, man hätte aber stärker auf das Verbrauchsverhalten abstellen sollen. Die Werte, die da zugrunde gelegt werden, sind auch sehr ambitioniert: Die Mehrzahl der Objekte liegt deutlich über dem Median. Tendenziell werden die Vermieter also einen deutlich höheren Anteil des CO2-Preises zu tragen haben als die Mieter.
VDW: WELCHE LENKUNGSWIRKUNG KANN EIN CO2-PREIS ANGESICHTS DER AKTUELLEN ENERGIEPREISENTWICKLUNG NOCH HABEN?
Dr. Frank Winkler: Ich gehe nicht davon aus, dass die beabsichtigte Lenkungswirkung noch eintritt. Durch die allgemeine Preissteigerung bei verbrauchsabhängigen Kosten verpufft die CO2-Steuer. Sie läuft ins Leere. Natürlich werden die Mieter beginnen, sparsamer mit Heizenergie und Warmwasser umzugehen, aber sicherlich nicht wegen der CO2-Steuer, sondern rein aufgrund der Tatsache, dass die Energiepreise so absurd gestiegen sind.
VDW: GEHÖRT DAS INSTRUMENT GENERELL AUF DEN PRÜFSTAND?
Dr. Frank Winkler: Die Frage ist: Was steht auf der Agenda? Aus dem politischen Raum werden zwei große Ziele vorgegeben. Das eine betrifft die Rolle, die CO2 im Zusammenhang mit der Klimaveränderung spielen soll. Das zweite Ziel ist der sorgsame Umgang mit Ressourcen, insbesondere Erdgas und Erdöl, die beide viel zu schade sind, um als Heizstoff verfeuert zu werden. Wenn man die Ressourcenschonung als großes Ziel ansetzt, dann muss versucht werden, alternative Energiequellen zu erschließen – auch über Windenergie und Photovoltaik hinaus, und das möglicherweise auch durch eine zusätzliche Besteuerung von Erdgas und Erdöl, aber doch nicht von CO2. Die Mittel aus der Besteuerung sollte man nutzen, um echte alternative Energien zu erschließen bzw. zu entwickeln, beispielsweise im Bereich kalte Kernfusion.
VDW: ANGESICHTS HOHER BAUKOSTEN HAT MAN VIELERORTS DAS SERIELLE BAUEN WIEDERENTDECKT. WIE BEURTEILEN SIE DIE POTENZIALE?
Dr. Frank Winkler: Bei den mir bekannten Unternehmen, die mit seriellem Bauen gearbeitet haben, kam zum Schluss die ernüchternde Erkenntnis: Es ist vielleicht ein bisschen schneller, aber nicht billiger. Die großen Effekte, die man sich erhofft hat, sind nicht eingetreten. Es hat also sicherlich Gründe, dass das serielle Bauen in der Breite nicht zur Anwendung kommt.
VDW: WORAN LIEGT DAS?
Dr. Frank Winkler: Mit der Typisierung und etwaiger befürchteter Monotonie hat es nichts zu tun: Die Bauindustrie ist inzwischen sehr flexibel, um auch mit einem hohen Grad an Vorfertigung architektonisch anspruchsvoll zu arbeiten. Es hängt eher mit den technologischen Anforderungen und einer Kostenverschiebung beim Bauen zusammen. Früher haben Rohbau und Innenausbau jeweils ungefähr die Hälfte der Kosten ausgemacht. Durch die zunehmende Technisierung haben sich die Kosten dramatisch in Richtung Innenausbau verschoben. Genau dort kann man aber nicht in einem hohen Maß mit Vorfertigung arbeiten.
VDW: SIE HALTEN EINEN KLIMANEUTRALEN GEBÄUDEBESTAND BIS 2045 GENERELL
FÜR EINE NICHT LÖSBARE AUFGABE. WARUM?
Dr. Frank Winkler: Eine eindeutige Definition für „klimaneutralen Gebäudebestand” gibt es nicht. Unterstellen wir mal, dass gemeint ist, Heizung, Warmwasser und Gebäude so zu gestalten, dass kein CO2 emittiert wird. Dafür bräuchte es laut aktueller Studien heute etwa 1.800 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche an Investitionen, denn es muss dafür in aller Regel nicht nur die Heizung angefasst werden, sondern das gesamte Gebäude. Bis 2045 haben wir noch 24 Jahre.
Pro Jahr müssten rechnerisch im Durchschnitt 4,17 Prozent der Gebäude angefasst werden. Derzeit liegt die langjährige bundesweite Modernisierungsquote bei etwa 1 Prozent pro Jahr. Woher sollen Bau- und Ausrüstungskapazitäten mit Faktor 4 kommen? Und hat man die Steigerung der Baukosten berücksichtigt, die schon ohne den starken Preissprung in 2021 bei linear rund 3,5 Prozent pro Jahr lag, während parallel Mietenentwicklung und Baukosten als Schere immer weiter auseinandergehen? Das kann nicht funktionieren. Es sei denn, es werden Fördermittel in Form verlorener Zuschüsse in signifikanter Höhe zur Verfügung gestellt, was ich auch angesichts aktueller Entwicklungen in der Förderpolitik nicht glaube.