Eine ganz erstaunliche Debatte ist in den letzten Monaten in Gang gekommen. Während man in den Ballungsgebieten und insbesondere in den „Big Seven“ über Wohnungsmangel klagt und entsprechende Neubauvorhaben forciert werden, gibt es durchaus Auffassungen, die den Neubau von Wohnungen in Schrumpfungsregionen kategorisch ablehnen. Dieser Standpunkt ist an Zynismus kaum zu übertreffen. Flankiert wird diese engstirnige Denkweise auch von neuen Förderideen, wie zuletzt in Sachsen für den sozialen Wohnungsbau in Diskussion: Hier ist vorgesehen, den Neubau von Sozialwohnungen nur dort zu fördern, wo die Städte expandieren und der Leerstand auf einem gewissen niedrigen Niveau angekommen ist. Das bedeutet per se, dass in Schrumpfungsregionen alles so bleibt wie es ist oder man bestenfalls Bestandsgebäude modernisiert oder abreißt. Es ist schwer nachzuvollziehen, ob die Vertreter dieser Denkrichtung sich darüber im Klaren sind, was eine derartige lokale Nicht-Investitionspolitik im Wohnungsbaubereich bei den Einwohnern und Mietern bewirkt: Selber schuld, wer in Schrumpfungsgebieten wohnt und eben mit älteren Gebäuden Vorlieb nehmen muss. Immerhin bleibt ja noch die Chance der Modernisierung …
Aber genau an dieser Stelle setzt eine neue Studie der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V. und des Pestel-Institutes an, die die flächendeckende Modernisierung in Frage stellt, da sich Abriss und gleichzeitiger Neubau nicht nur als sinnvoller, sondern mitunter auch als deutlich preiswerter erweist. (//www.impulse-fuer-den-wohnungsbau.de/w/files/studien-etc/studie-bestandsersatz-2.0.pdf)
Die Verfasser der Studie kommen zu dem Ergebnis, dass etwa knapp 10 % des heutigen Gebäudebestandes sich an der technischen und wirtschaftlichen Grenze von Nutzbarkeit und Modernisierungsfähigkeit befinden. Grundlage der Studie sind dabei keineswegs akademische Erörterungen, sondern der Vergleich von tatsächlichen Modernisierungs- und Neubauvorhaben hinsichtlich der angefallenen Kosten. Während also für einen Abriss und vergleichbaren Neubau als Effizienzhaus 70 Kosten zwischen 2.123 bis 2.693 € je m² Wohnfläche angefallen sind, liegt der Aufwand bei Vollmodernisierung mit Wohnraumerweiterung und als Effizienzhaus 100 zwischen 2.276 und 2.968 € je m² Wohnfläche. Hinzu kommt, dass die Frage der Nachhaltigkeit gerade bei Modernisierungsmaßnahmen wohl eher zwiespältige Antworten hervorruft. Und man kann es drehen und wenden wie man es will: Auch bei einem mit noch so hohem Aufwand umgebauten WBS 70-Block bleiben die schlussendlichen neuen Grundrisse nach der Modernisierung immer Kompromisslösungen. Ambitionierten architektonischen Gestaltungen, die die Gebäudehülle betreffen, stehen sehr häufig wieder fensterlose Küchen und Bäder gegenüber. Und das zu diesen Preisen …
Letztlich stellt sich die Frage, ob gerade in Schrumpfungsregionen die Mieter bereit sind, bei entsprechend aufwendig modernisierten Wohnungen die dafür auch tatsächlich erforderlichen Mietpreise zu zahlen. Denn es ist eine Binsenweisheit, dass gerade in diesen Regionen das durchschnittliche Mietniveau auf eher niedriger Stufe verharrt.
Den Entscheidern in der Wohnungswirtschaft ist deshalb viel Mut zu wünschen, anstelle der inzwischen schon fast traditionellen Modernisierungsmaßnahmen den Abriss zu wagen und an der Stelle des bisherigen Gebäudes ein neues, nachhaltiges und zukunftsfestes Haus zu errichten. Unstrittig ist auch, dass neben der Entscheidung an sich auch eine Ermutigung durch die Politik und die Interessenverbände der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft erforderlich ist.